Unser Firmenmitglied Pirmin Jung Schweiz AG zügelt diesen Herbst seinen Hauptsitz von Rain nach Sursee in einen eigenen Neubau im Bahnhofsquartier. Die Firma ist ein führendes Holzbau-Ingenieur- und Planungsbüro mit über 100 Mitarbeitern an verschiedenen Standorten in der Schweiz. Ausschlaggebend für den Umzug war auch die Erkenntnis, dass bisher 60% der CO2-Emissionen der Firma beim Pendeln der Mitarbeiter anfallen, erklärt Pirmin Jung in seinem Vortrag. Er habe lange nach einem geeigneten Standort gesucht, und nur mit viel Glück und Engagement konnte er dieses Projekt auf einem so zentral gelegenen Grundstück realisieren.
Das fast fertige Gebäude besteht analog zur benachbarten Quartierbebauung aus zwei sechsstöckigen Baukörpern, die aber mit einem dreigeschossigen Mittelteil verbunden werden durften. Entworfen wurde das Haus von - oder vielleicht besser mit - dem Luzerner Architekten Marc Syfrig. Die Grossraumbüros der Holzbauingenieure befinden sich im EG und 1.OG, darüber liegen einerseits Wohnungen, andererseits weitere Gewerberäume, die von Dritten genutzt werden. Das Untergeschoss mit Einstellhalle ist als einziges Geschoss keine Holzbaukonstruktion, sondern Massivbau. Es brauchte einige Anstrengungen und den Nachweis, dass im Quartier bereits genügend Parkplätze brach liegen, bis die Anzahl der Pflichtparkplätze um die Hälfte reduziert werden konnten.
Das Bauprojekt zeigt sich äusserst innovativ in den Themen Nachhaltigkeit und digitales Bauen. Die Bauaufträge wurden nämlich nicht wie üblich an die günstigsten Anbieter vergeben sondern primär an jene Firmen, die mit Qualitätsversprechen, Teamwork, Regionalität und Innovationsgeist zu überzeugen vermochten. So konnten wir auch beim Rundgang durchs Gebäude einige Besonderheiten begutachten: Die schöne Holzbalkendecke, die für den Brandschutz im unteren Drittel aus Eschenholz besteht. Die spezielle, in den Fensterbrüstungen integrierte Wandheizung. Die pragmatische Raumlüftung mit zentraler Zu- und Abluftfassung beim Treppenhauskern. Oder der hölzerne Unterlagsboden aus massiver Buche.
Die Kreislauffähigkeit (Prinzip cradle to cradle) und die Wertschöpfung in der Region sind für Pirmin Jung zwei besonders wichtige Bereiche der Nachhaltigkeit. Die Bauteile wurden so zusammengefügt, dass sie einst weitgehend zerstörungsfrei zurückgebaut und wiederverwendet werden können. Dazu wurden auch neue Konstruktionen und Befestigungstechniken ausprobiert.
Dass die Holzbauplaner wirklich keine Berührungsängste mit Holz haben wird offensichtlich, denn neben der Tragkonstruktion ist die innere Bekleidung der Räume grösstenteils aus hochwertigem Massivholz und auch die Fassade bedeckt ein recht raffiniertes Geflecht aus erdfarbig und königsblau gestrichenem Holz, gekrönt von einem breiten, weissen Vordach. Diese Dachkonstruktion und die dunkelblauen stehenden und liegenden Bänder gliedern das kubische Volumen und geben dem Stadthaus einen ganz speziellen Charakter. Man darf gespannt sein wie es wirkt, wenn das Gerüst einmal weg ist und die Umgebung ergrünt.
Die digitale Innovation des Projekts beruht etwa in einem umfassenden digitalen 3D-Modell, an dem sich alle Planer beteiligen mussten. So konnten Fragestellungen während der Planung interdisziplinär direkt an diesem Modell besprochen und gelöst werden. Während der Pandemie wusste man diese Vorteile erst recht zu schätzen. Natürlich wurde auf dieser Grundlage auch die Energieeffizienz der Gebäudehülle und die Tageslichtnutzung bis aufs Komma optimiert. Alle ausführenden Firmen bekamen dann über eine zentrale Plattform auch Zugang zu diesem Modell und den damit verbundenen Ausführungsplänen. Sie konnten die Daten für ihre Werkplanung verwenden und ihre Pläne anschliessend im Modell hinterlegen, so dass von überall her auf den aktuellsten Stand zugegriffen werden konnte. In der Werkstatt und auf dem Bau wird nun mit dem Tablet statt mit Papierplänen gearbeitet. Aufträge, Korrekturen und Pendenzen werden so auch direkt auf dem Bau digital erfasst, lokalisiert und mit Fotos, Skizzen und Planausschnitten verknüpft. So entstanden während der Projekt- und Bauzeit tausende von „Tasks“, die transparent zugeteilt und effizient abgearbeitet werden konnten. Momentan seien noch etwas über 600 Tasks offen, meint Pirmin Jung, und auch da ist das Herzblut des Ingenieurs spürbar.
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