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Haus ZIEL

Viele Hürden führen zum "Ziel"

Zwei grosse Herausforderungen standen am Anfang vor der Familie Halter. Zum einen ein Kind mit grossen gesundheitlichen Problemen. Zum anderen ein Haus mit Erneuerungsbedarf. Irgendwann begann die Reise - mittlerweile ist das Haus mit Wohnungen, Praxis und Gastrobereich bezogen und alle fühlen sich im neuen baubiologischen Daheim wohl.

Das Ziel ist nicht nur erreicht, sondern erstrahlt in neuem, gesundem Glanz. «ZIEL» ist der Name eines Gasthauses am Berg oberhalb von der Rheintaler Kleinstadt Altstätten. Hier ist Sonja Halter-Kobler aufgewachsen. Sie ist zwar gelernte Gastronomin, doch sie wollte nicht eins zu eins in die Fussstapfen ihrer Eltern treten. Diese hatten den weit herum bekannten Betrieb während Jahrzehnten erfolgreich geführt. Die Eltern Rosmarie und Fridli Kobler waren zum Glück bereit, mit der neuen Generation, auch neue Wege zu gehen.

Ein Verkauf des rund 50jährigen Gebäudes erwies sich als schwierig, eine Sanierung als unmöglich. Was also tun? Zuerst ein Herantasten bis ein Hybrid-Projekt in Hybrid-Bauweise vorlag. Dieses stiess auf Widerstände - nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich der Bauplatz ausserhalb der Bauzone befindet und zudem gemäss kantonalem Richtplan in einer Landschaft mit schützenswerter Bausubstanz. Auf der anderen Seite Veränderungen im persönlichen Umfeld. Die gesundheitlichen Probleme eines der beiden Kinder und ein einschneidender Unfall von Daniel Halter, der zu einer Umschulung zwang.  Der neue Weg wies hin zu einem neuen Umgang mit Gesundheit und Umwelteinflüssen. Die Methode Kinesiologie war dazu ein wichtiger Schlüssel.

«Was tut uns und der Umwelt gut?»

Das alles hat den Blickwinkel geöffnet. «Was wollen wir wirklich?» «Was tut uns und der Umwelt gut?» Das war nun die zentralen Fragen, sowohl im Alltag wie auch in Bezug auf das Bauvorhaben. Für ein erstes Projekt war die Baueingabe bereits gemacht. Im Rahmen der Einspracheverhandlungen mit einem Umweltverband wurde der Vorschlag gemacht, den Neubau als Appenzeller Holzhaus zu realisieren. Das entfachte das innere Feuer für die Grundgedanken über Umwelt und Wohnumgebung sowie intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Bäume und Holz, mit regionaler Handwerkstradition und mit gesundem Bauen. Die Suche nach passenden Planern erwies sich als Herausforderung. Zweifel machten sich breit, verbunden mit der Frage: «Schwebt uns etwas vor, das gar nicht realisierbar ist?»

Kurz darauf kam es zu einem Treffen mit Hannes Nägeli aus dem appenzellischen Gais. Als Holzbauer hat er sich über die Region hinaus einen Namen geschaffen. Bekannt geworden ist er unter anderem mit seinem Massivholzsystem Appenzellerholz. Nicht technische Herausforderungen, sondern die Frage nach dem eigentlichen Herzenswunsch stand im Mittelpunkt des ersten Kontaktes. «Ein Ort der Begegnung zu schaffen, ein Ort mit Weitsicht und ein Haus der Naturverbundenheit. Wir sind Teile der Natur und das soll auch unser Haus sein.» Das war die Antwort von Sonja und Daniel Halter-Kobler. Rasch zeigte sich, dass der Holzbauer und sie die gleiche Sprache sprachen.

«Wie reagiert unser Sohn Gabriel?»  

Damit war der Boden gelegt. Beide Seiten waren sich einig, dass man in Sachen Baubiologie möglichst weit gehen wollte. Auch in jenen Bereichen, in denen es (noch) keine pfannenfertigen Lösungen gab und in denen ein hohes Mass an Experimentierfreudigkeit gefragt war. Nach einer abenteuerlichen Reise rund um die Finanzierung konnten schon bald Nägel mit Köpfen gemacht werden. Termine für die Baumfällung wurden festgelegt. Das zu 100% naturbelassene Holz stammt aus der näheren Umgebung, teils sogar aus dem eigenen Wald. Wo immer möglich wurde auf das Mondzeichen geachtet. Materialwahl und Konstruktion waren klar. Anspruchsvoller wurde beim Innenausbau und bei der Ausstattung. Hier ging es einerseits darum, aus Kostengründen einen hohen Anteil an Eigenleistungen zu realisieren. Anderseits war es der Familie Halter-Kobler sehr wichtig, dass jedes Material auf seine gesundheitlichen Auswirkungen kinesiologisch getestet wurde. Die Messlatte war hoch - im Zentrum standen immer die gleiche Frage: Wie reagiert unser Sohn Gabriel darauf?  

Auf Silikon reagierte das Kind stark. Keine Frage, dass eine komplett andere Lösung gefunden werden musste. Selbst dort, wo Spritzwasser anfällt. Bienenwachs lieferte den Ersatz. Die Fugen aus Block Bienenwachs hat Sonja Halter selber gefertigt. Ähnlich war es beim Leim, auch da zeigte der Sohn starke Reaktionen. Sonja Halter suchte nach alte Rezepturen, begann mit Kasein zu experimentieren. Überall dort, wo es Leim braucht, kam nun selbst hergestellter Kaseinleim zum Einsatz. Ein schönes Beispiel sind die Tische in der Gaststube. Diese zeigen die Philosophie des ganzen Projektes. Die stabilen Beine der 1970iger Jahre wurden wiederverwendet. Das Holz für die neuen Tischplatten stammt aus dem nahegelegenen Wald. Die Bretter sind stumpf aneinander gestossen und verleimt. Behandlung und Reinigung erfolgen nur mit Schmierseife und sind so äusserst pflegeleicht.

Bienenwachs auch in der Gastroküche

Neue Wege ging die Familie auch in der Gastroküche. Die meisten der vorhandenen Profigeräte und die 50 jährigen Edelstahl Möbel stehen weiterhin im Einsatz. Die Gastroküche weist eine Holzdecke auf. Es gibt Lehmwände für die Geruchs- & Feuchtigkeitsregulation. Um den hohen Lebensmittel-gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen, wurden die Lehmplatten mit Bienenwachs überzogen. Sie sind abwaschbar. Gesundes Essen aus einer gesunden Küche! Nur für den Küchenboden, der einen Ablauf aufweisen muss, konnte keine Alternative gefunden werden. Doch auch dieser Kompromiss wurde genau ausgetestet. Einen weiteren Kompromiss gab es bei den Brandschutztüren. Der Schreiner verfügte noch nicht über das erforderliche Label. Die Antwort: wo nötig herkömmliche Brandschutztüren, alle anderen sind unverleimte Vollholztüren. Keine Kompromisse gab es bei den Wohnungsküchen: Vollholz ohne Leim und Silikon oder bei den Treppen mit leimfrei verlegten Vollzholzdielen. Konsequent durchgezogen ist auch die gesamte Umgebung. Auf zwei Hektaren sind strukturreiche Lebensräume mit Hecken, Gewässern, Steinlinsen entstanden. Weiter wurde ein grosser Natur-und Kräutergarten geschaffen. Ein Paradies für Wildpflanzensammlungen und Kräuterkurse.

Das Suchen nach anderen Lösungen war sehr spannend. «Die brachten uns immer zu neuen Überlegungen. Gerade beim Suchen hab ich gemerkt, wie viel Wissen doch verloren gegangen ist.» Auf handelsübliche Baustoffe zu verzichten funktioniert nur, wenn die Handwerker tatsächlich mitmachen. «In der Tat, unsere Auflagen wurden sehr positiv aufgenommen und engagiert umgesetzt.» Was im Nachhinein einfach tönt, erwies sich im Einzelfall als anspruchsvoll. «Unser Glück war, dass Bauleiter Clemens Koller eine Baubiologie-Ausbildung gemacht hat und unsere Ansichten sein Holz-Handwerker Herz aufblühen liess». Auch er äussert sich sehr positiv:  «Es gibt kaum Bauherren, die derart experimentierfreudig und konsequent sind.»

Gesund und kostenbewusst

Möglichst gesund zu bauen war der eine Anspruch. Der andere: Die Kosten im Griff zu behalten. Das gelang durch Eigenleistungen, aber auch durch konsequente Wiederverwendung. Das betraf zum Teil nur einzelne Bestandteile wie etwa die Führung von Schubladen, Spültröge, Spiegel usw. Oder indem bewusst auch B-Qualität beim Holz verwendet wurde. Das Kostenbewusstsein wurde unterstützt durch eine klare, unverrückbare Prioritätenliste: Zuerst kommt die Natur, dann die Funktion, und erst an dritter Stelle das Design. So ergab es sich fast von selbst, dass keine Schischis gemacht wurden. «Wir bauen das was es braucht, und das muss verheben.»

Das Haus wurde 2020 fertiggestellt. Die Wohnungen sind bezogen. Der Betrieb mit seiner Kombination von Wohnen, Therapie, Kursen und Veranstaltungen ist gut angelaufen. Das ganzheitliche Konzept mit verschiedenen Angeboten zur Gesundheitsförderung ist gut eingespielt. Für die Gesundheit gibt es einen untrüglichen Gradmesser - Sohn Gabriel. Er hat auf die neue Umgebung sehr gut reagiert, und in kurzer Zeit hat er grosse Entwicklungsschritte gemacht, die vorher kaum für möglich gehalten wurden. Das Haus tut nicht nur den Menschen, die hier wohnen, und den Gästen gut. Das Haus Ziel über die Region hinaus ein wegweisendes Beispiel dafür, wie trotz Hindernissen gesund gebaut werden kann.

Text: Meinrad Gschwend

Projekt und Angebote im Haus Ziel: www.hausziel.ch
Appenzeller Holzhaus von Nägeli Holzbau: www.naegeli-holzbau.ch

Aussensichten
Balkon in der Abendsonne
Balkon West
Südansicht
Innensichten
Buffet
Seminarraum
Eschenboden
Dankbarkeit
Die Natur dankt
Sonja hat ein Ziel erreicht